Wandertage im Toggenburg
Von der Stirne heiss, rinnen muss der Schweiss
(frei nach Friederich Schiller: Das Lied von der Glocke, 1799)
Text: Rolf Klaus
Bilder: Ruth Misteli, Elsa Willi
Mittwoch 1. August bis Samstag 4. August 2018
Tag 1: Basel – Lichtensteig
Einchecken und Gepäckabgabe vor 08:00 Uhr, Boarding um 08:15 am Gate 8.
Nein diese Angaben sind nicht für einen Flug mit EASYJET ab dem Euroairport sondern sind die Angaben der Wanderleitung Sira und Stefan für den Start zur 3-tägigen Wanderung im Toggenburg. Stefan nimmt am Bahnhof SBB in Basel unser Gepäck für die nächsten Tage in Empfang das wir heute nicht brauchen. Im Rucksack tragen wir die Verpflegung für den ersten Tag und was sonst noch notwendig sein könnte. Mit ÖV fahren wir via Zürich (Umsteigen). Winterthur, Wil (Umsteigen) nach Bütschwil. Hier ist unser Start in diesem kleinen Dorf im Kanton St. Gallen (Teil des Gemeindeverbunds Bütschwil-Ganterschwil, 3‘354 Einwohner, 13.79 km2 / zum Vergleich: Basel-Stadt, 37 km2, 193‘027 Einwohner).
Es wird heiss und der Schweiss beginnt von der Stirne zu rinnen. Der Thur entlang führt der Wanderweg über Weiden und an kleineren Bauernhöfen vorbei zur Burgruine Rüdberg. Hier im Schatten gibt‘s die erste von vielen Trinkpausen. Die Burg Rüdberg diente vom 13. Bis ins späte 15 . Jahrhundert als Wegsperre, meist dazu unter der Aufsicht von Dienstleuten der Grafen von Toggenburg. Die Hitze nimmt zu und derWeg hinunter zur Thur wird schmal, so schmal: Die Hitze ist schweisstreibend und unsere Kräfte schwinden. Wir wandern achtsam und langsam weiter. Unsere Mittagspause findet am Ufer der Thur statt. Eine Abkühlung der Füsse im Wasser ist dringend angebracht Gestärkt und etwas abgekühlt wandern wir weiter über offenes Land neben der Baustelle der Umfahrung Dietfurt zum Bahnhof Dietfurt wo zwei von uns wegen der Hitze den Zug nach Wattwil nehmen. Die Übrigen widerstehen der Hitze knapp und wandern unter der heissen Sonne nach Lichtensteig. Immer wieder sind Pausen im Schatten notwendig. Im Zimmer des Hotels Café Huber finden wir Entspannung und etwas Schlaf oder individuell im Restaurant der Badi eine Stärkung von Körper und Geist (es soll Pommes oder Somosa gegeben haben). Zum Nachtessen verschieben wir uns ins Fw Lokal der Stützpunktfeuerwehr Wattwil-Lichtensteig zu Volksmusik vom Ländertrio und Schweinssteak, Würste vom Grill, mit Brot oder Kartoffelsalat, Wein, Bier oder Mineral, Nussgipfel (gerade nicht gekrümmt) Kaffee mit oder ohne Luz. Niemand musste hungrig zurück ins Hotel Café Huber ob zu Fuss oder mit dem kleinen Postauto.
PS. Dass die Feuerwehr genau dann zu einem Einsatz fahren muss, als wir in ihrem Lokal ankommen, ist ein Zufall und nicht von der Wanderleitung geplant.
Den Churfirsten entlang oder auf den Selun ?
Mit Geissen und den 12 Sagen des Toggenburgs
Tag 2: Starkenbach – Alt St. Johann
Heute ist ein sehr heisser Tag: wir haben zu entscheiden, ob wir mit der Gruppe Selun zuerst diesen letzten der 7 Churfirsten (von Osten nach Westen wird gezählt) besteigen oder den Weg direkt über die Breitenalp / Alp Selamatt auf dem Sagenweg wandern wollen.
Pünktlich um 08:00 beginnt der Fussmarsch zum Bahnhof Lichtensteig wo wir mit ÖV Bahn und Bus nach Starkenbach fahren.
Nun kommt das erste Highlight des Tages: die Kastenbahn (Selunbahn) hinauf auf Strichboden. Bitte nicht drängeln, keine Angst, Alle kommen mit, die Augen zu und los geht’s. Erbaut: 1911 / Umgebaut: 1955 . Totalsanierung und Bewilligung für Personentransport: 1986 (Es rappelt in der Kiste wenn sie über eine Stütze fährt)
Oben angelangt, fällt die Entscheidung Selun JA oder NEIN. Aber zuerst erleben wir das zweite Highlight: sehr zutrauliche und nach Streicheleinheiten dürstende Geissen. Ihre herzlich Begrüssung lassen wir uns nicht entgehen. Beinahe wird vergessen, dass wir ja eine Tageswanderung vorgesehen haben. Heute ist es nicht ganz so heiss wie am Vortag, da es leichte Bewölkung und Nebel um den Selun und Gewitterwolken um den Säntisgipfel hat. Wir trennen uns und die Gruppe Selun verabschiedet sich: auf einem gut begehbaren Weg steigen sie auf den Selun (2204m). Der schweisstreibende Aufstieg wird oben mit einem Blick auf den Walensee und mit angenehmer Abkühlung belohnt. Nach dem Abstieg erreicht auch diese Gruppe den Sagenweg und das Bergrestaurant Sellamatt.
Die Gruppe Breitenwald / Alp Selamatt wandert am Eingang des Wildmannlisloch vorbei auf einem Teilstück des Toggenburger Sagenwegs. Hier werden 12 Sagen des Toggenburgs dargestellt. Jeweils mit einem aussagekräftigen Bild und der Erzählung dazu. An der Steinhüttli Alp vorbei kommen wir zu Punkt Unterhag (1590m). Frisch gefällte Holzklötze laden zur Trinkpause ein. Aber dann wird es spannend (ein drittes Highlight: ein Bauernehepaar mit Traktorbagger will zu uns hinauf aber ein grosser Stein ist im Weg. Kein Problem für unseren Wanderleiter Nik. Mit Rat und Tat steht er dem Bauern bei, hilft und zu dritt schaffen sie den Stein zur Seite. Standing Ovation und Chapeau für Nik!
Auf dem Weg zur Mittagspause auf Engi (1469m) treffen wir en einem Grillplatz auf einen unverbesserlichen Wanderer, der vorgibt Feuerwehrmann zu sein und deshalb das absolute Feuerverbot missachtet und ein Feuer angezündet hat.
Nach einem kurzen aber steilen Abstieg erreichen wir das Berggasthaus Sellamatt (mit zwei LL) wo wir uns etwas ausruhen und stärken. Anschliessend wandern fünf aus unserer Gruppe hinunter ins Tal nach Alt St. Johann. Alle Andern nehmen die Sellamattbahn und beinahe gleichzeitig treffen wir uns für die Rückfahrt mit Bus und Bahn nach Lichtensteig. Auch die Gruppe Selun trifft kurz darauf im Hotel Café Huber ein. Zur Belohnung und zur Feier des Tages dass Alle gesund und nur mit Muskelkater von der Tagestour zurückgekehrt sind, findet ein Nachtessen / Grill bei der mit Sira befreundeten Familie Ursula und René Stäheli statt. Da ein Natur(Wander)freund seinen Geburtstag feiern darf, wird es ein fröhliches, geselliges Beisammensein bis spät in die Nacht.
An dieser Stelle und am Ende von diesem sonnigen Tag gebührt ein kräftiges Dankeschön dem Gastgeberpaar Ursula und Grillmeister René sowie der Wanderleitung Sira und Stefan / Nelly und Nik.
Bergstiige ufs Speermürli oder Gnusswandere uf‘s Chrüzegg?
Tag 3 : Chrüzegg / Speermürli retour
Heute trennt sich unsere Wandergruppe noch einmal:
Die Gruppe „Bergstiiger Speermürli“ (diejenigen, welche noch Ausdauer und keinen Muskelkater haben) ist schon nach Krummenau unterwegs als die Gruppe „Gnusswanderer“ den Bus nach Krinau „besteigt“.
Die Gnusswanderer uf‘s Chrüzegg fahren mit dem Bus nach Krinau Station Rössli.
Diese Wanderung beginnt mit einem steilen Aufstieg in der Falllinie oder genüsslich auf der Serpentinenstrasse beim Weiler Schönenboden (990m) vorbei und durch den Wald (endlich etwas Schatten) zum abgelegenen Restaurant Unterälpli. Wer macht mit, hier hat es eine Kegelbahn, der Verlierer zahlt eine Runde? Niemand hat bei dieser Hitze ein Interesse an zusätzlicher körperlicher Aktivität. Aber wenn es ums Essen und Trinken geht greifen Alle zu: Meringue mit Schlagrahm, Mineralwasser oder Most ohne Alkohol werden aufgetischt. Die Bestellung der Meringue mit Schlagrahm gestaltet sich zu einem amüsanten Dialog mit der hübschen Bedienung, da unser Nik kein „Toggeburgerisch“ spricht. Und HALLO, es ist noch keine Mittagspause vorgesehen.
Der Weg durch trockenes verdorrtes Weideland besteht vorwiegend aus lockerem Nagelfluhgestein. Er ist sehr schwer begehbar, bei jeden Schritt rutscht man ein paar Zentimeter zurück. Die Hitze nimmt zu.
Bei Bauerhof Älpli unterhalten wir uns mit dem Alphirt und er berichtet wie er Hitze und das Versiegen der Quellen meistert: tägliches hin- und herfahren mit einem Wassertransporter, Kühe im Stall lassen. Jetzt kommt ein Naturphänomen in Sicht: die „Bergschlipf-Hügeli“ . Regen- und Schmelzwasser dringen in die Nagelfluh ein und schmieren die darunter liegende Mergellage. Wegen der Schwerkraft gleiten die abgebrochenen Nagelfluhschollen talwärts und zerbrechen in einzelne „Bergschlipfhügeli“. Eine märchenhafte Landschaft entsteht. Nach einem weiteren steilen Aufstieg an der prallen Sonne erreichen wir das Restaurant Schwämmli (1200m). Wer von uns noch der Hitze standhält wandert weiter auf die Chrüzegg (1313m) Hier ist unsere Mittagspause und wir geniessen die Aussicht Richtung Obersee (Zürichsee) und ohne Dunst wären die Glarner Alpen zu sehen.
Beim Abstieg nach Krinau ist die Gruppe beim Älplisattel wieder komplett. Nochmals auf dem Nagelfluhweg oder einfach über Weideland geht es durch das Altschwiler Tobel nach Egg und zurück nach Krinau.
In der Gartenwirtschaft des Rössli wird der Durst gelöscht (endlich ein Bier) und mit dem Bus geht es zurück nach Lichtensteig.
Die Teilnehmer der Gruppe „Bergstiiiger Speermürli“ fahren mit ÖV nach Krummenau. Die Seilbahn Krümmenswil – Rietbach bringt uns auf die Wolzenalp, wo die Wanderung Richtung Speer beginnt. Auch auf 1500 m ist es heiss und Trinkpausen sind ein MUSS. Die Wanderung führt über die Weiden der Wolzenalp (im Winter ein beliebtes Skigebiet). Mit einer Gratwanderung über die Bremacher Höchi und den Bützalpsattel erreichen wir die Alp Hengst mit dem gleichnamigen Restaurant. Mittagspause! Wir diskutieren, ob wir noch den Speer besteigen, oder rechts oder links um den Speer herum den Abstieg ins Thurtal beginnen wollen. Weder rechts noch links, nein hinunter zur nächsten Alphütte und ein Kaffee muss her. Zu unserem Entsetzen sind die hygienischen Zustände dieser Alphütte derart, dass wir relativ rasch den Abstieg unter die Füsse nehmen. Durchs Ijenental vorbei am gleichnamigen Bergbach wandern wir in Richtung Nesslau-Neu St. Johann. Wir sehen den kleinen Stausee und die Moorlandschaft, geniessen die Abkühlung im Plattenwald und erreichen wohlbehalten die Bahnstation. Mit ÖV (selbstverständlich für uns) zurück nach Lichtensteig.
18:00 Haltestelle Obertor vor dem Hotel ist unser nächster Fixpunkt: Abfahrt mit ÖV zum gemeinsamen Nachtessen beim Italiener Alfredo Vina in der Pizzeria Capri in Wattwil.
Eine reichhaltige Speisekarte lässt keine Wünsche offen: leckere Vorspeisen, verführerische Hauptgericht und natürlich Pizzen (geschätzte 99 Varianten), erlesene Weine erlauben uns allen diesen letzten Abend kulinarisch zu geniessen. Wie so oft werden Geschichten von vergangenen Wanderungen erzählt sowie die noch kommenden Wanderungen der Sektion und des Kantonalverbands mit vielen Emotionen diskutiert. Jeder von uns hat Gemeinsames erlebt was in der fröhlichen Runde in Erinnerung gerufen wird.
THE HEAT IS ON (Soundtracks zum Film Beverly Hills Cop – Ich lös den Fall auf jeden Fall)
Die Hitze ist zu gross, werde ich sie wieder los?
Tag 4: Lichtensteig – Basel
Wegen der Hitze wird die letzte Tageswanderung abgesagt. Das ist eine einmalige Situation und offenbar noch nie vorgekommen (so sagt man). Bisher haben Wanderungen nur wegen schlechtem Wetter nicht stattgefunden.
Aber die Wanderleitung hat einen Plan B: Eine Stadtführung durch René Stäheli unseren Gastgeber von Tag 2!. Professionell führt er uns durch die Geschichte der kleinen Stadt mit grosser Bedeutung für das Toggenburg. Wissen Alle was Toggen sind? Ja, nicht eine alte Bezeichnung für Hunde(Doggen) stattdessen die Bezeichnung für Stützpfeiler in den Burgen und Häusern im Toggenburg.
Die restliche Zeit bis zur Abfahrt nach Basel wird recht individuell genutzt: zum Glück gibt’s Kägi! Wenn Mann/Frau schon in Lichtensteig ist darf selbstverständlich ein Einkauf im Fabrikladen des Schokoladenwaffelnproduzenten Kägi nicht fehlen. Wer noch etwas Pikantes mit nach Hause nehmen will, geht anschliessend in die „Städtlichäsi Lichtensteig“. Die Käse aus diese Käserei wurden schon mehrfach prämiert. Also liebe Naturfreunde: an beide Orten zugreifen!
Während der Rückfahrt mit ÖV von Lichtensteig nach Basel haben wir genügend Zeit uns in Gedanken versunken oder im Gespräch mit Andern die vergangenen, sonnigen Tage in Erinnerung zu rufen.
Über Wattwil weiter mit dem Alpenexpress nach Rapperswil, ab dort mit der S7 nach Zürich HB und dann mit den ältesten Wagen der SBB nach Basel. Diese Wagen besitzen noch ein „Plumpsklo“, natürlich keine Klimaanlage und stehen vor der Abfahrt längere Zeit an der prallen Sonne auf dem Abstellbahnhof. The Heat is on: das sind für Alle die heissesten Stunden in einen Personenwagen der SBB. Wir sind Hitze ja von den vergangenen Tagen gewöhnt, aber in diesem Wagen ist es heisser als je zuvor. Kommentar des Zugspersonals zum Wanderleiter Nik: „das kann man nur mit Humor nehmen“
Unser „ Handgepäck“ wird in vorbildlicher Art und Weise von Stefan mit dem Bus nach Basel transportiert und die Gepäckausgabe ist schneller als auf dem EuroAirport Basel.
Schlusspunkt: Wer glücklich ist, ein Kägi isst!
Mit Dank an Ruth und Elsa für ihre Beiträge zum Bericht. Mit Dank für die Organisation von vier sonnigen Tagen an Sira, Stefan, Nelly und Nik und geschrieben von einem Heimwehtoggenburger aus dem Baselbiet.
Unsere Streckendaten:
reine Wanderzeit:
Länge:
Aufstieg:
Abstieg: